"Es kommt aber die Zeit, wo man staunen wird, daß die Menschheit so lange brauchte, um gedankenlose Schädigung von Leben als mit Ethik unvereinbar einzusehen. Ethik ist ins Grenzenlose erweiterte Verantwortung gegen alles, was lebt."
Albert Schweitzer
Albert Schweitzer
ANTHROPOZÄN
Der Begriff „Anthropozän“ verleitet dazu, das gegenwärtige Zeitalter als ein planetar wirksames, allein vom Menschen gemachtes misszuverstehen. Zwar erhellt dieser Begriff einiges gerade im Sinne auf die Verantwortung des Menschen in globalem Maßstab, doch lässt er das Wesentliche im Dunkeln. Menschen nehmen zwar Einfluss auf Entwicklungen in gewaltigem und irreversiblem Ausmaß, doch ist dies zugleich auch Ausdruck einer Hybris, die naturgegebene Wesenszüge außer Acht lässt. Die technisch überformten Menschen sind kaum mehr in der Lage, tatsächlich fühlend in der Welt zu sein und mit dieser fühlend zu interagieren. Alles wird nur noch bedacht, objektiviert, zergliedert und gehandhabt. Integrierende Perspektiven werden zwar als Modelle entwickelt, jedoch kaum als lebendige Ereignisse ermöglicht. Maßnahmen zur Abwendung zerstörerischer Tendenzen werden überwiegend als Optimierungen aus falschen Lebensbezügen heraus konzipiert und verschlimmern die Lage eher noch. Auswege grenzen an Wunder. Eine nähere Betrachtung dieses Dilemmas lenkt den Blick auf die Verfassung des menschlichen Bewusstseins. Offensíchtlich hat der Mensch verlernt, bei seiner kulturellen, sozialen, ökologischen und geistigen Entwicklung eine mitschwingende Perspektive einzunehmen. Nun darf er sich in einem dürftig ausgestatteten, pädagogisch unterentwickelten und hochexplosiven Labor als Zauberlehrling erfahren. Er versucht in höchster Bedrängnis mit Technologie und Management das Pendel im Außen stabil zu halten und merkt dabei nicht, wie das innere Pendel kollabiert. Mit denkerischen Übungen und künstlicher Intelligenz ist der global bedrohlichen Schieflage nur schwer – streng genommen gar nicht – beizukommen, da das Denken selbst - als (Pop-) Kulturtechnik - Teil des äußeren Pendels ist. Ein Denken, das dem inneren Pendel zugehörig wäre, ist ein Denken aus etwas anderem heraus, als einem ichbezogenen „Individuum“ jemals in den Sinn kommen würde. Solches Denken hätte wohl auch einen anderen Namen verdient. Dies ist der Versuch, auf exemplarische, partizipative, kontemplative, reflexive und kommunikative Weise ungewohnte Denk- und Wahrnehmungsstrukturen zu erschließen und diese übend als Einführung in eine Wissensschöpfung mit, in und aus der Natur auszugestalten. Die Natur ist zugleich Subjekt wie Objekt wie umfassende Form dieser „post-anthropozänen Wissenschaft“ und der Mensch darf sich wieder, wie in vordualistischen Zeiten, als Mittler und Zeugen eines lebendigen kosmischen Erfahrungs- und Erkenntnisgeschehens erleben und entfalten. |
Lesetipp:
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