Sehen und gesehen werden – über das Entdecken und Entgegenkommen der Wesen und der Sprachen der Natur
„Der Lebensgarten“ ist eine performative Klang-Kunst-Video-Produktion von wundersam. In einem verwilderten Garten entstand aus gemeinsamem Erforschen und Entwickeln die erzählerische Aufführung „Sehen und gesehen werden“. Ein Feldversuch, um Möglichkeiten eines verwunderten Zusammenspiels von Mensch und Natur zu erkunden und darzustellen. Im gemeinsamen Dreiklang erwachen einzelne Partitur-Räume zum Leben. Die drei Aufführenden stellen folgende Akteure in Miniaturen dar: Akteur Aura, Akteur Wahrnehmung, Akteur Naturraum, Akteur Stimmungen, Akteur Verstehen, Akteur Gegenwart.
Die menschlichen Akteure betreten die Atmosphäre eines wahrnehmenden Naturraums und öffnen sich dabei der Berührung und dem Entgegenkommen nichtmenschlicher Wesen der Schöpfung – die Pflanzen, die Tiere, das Licht, der Himmel, die Erde. Das Erscheinen des Akteurs „Naturraum“ ist das Entgegenkommen der Geschöpfe in ihrer Kraft und Sprache. Sehen und gesehen werden. Leben begegnet Leben. Fühlen. Verstehen der Geschöpfe dieser oft vergessenen großartigen Schöpfungswesen unserer Heimat Erde. Auch deren Wahrnehmung, Lebensgestalt und ihre Distanz zum Menschen.
Eine Produktion der Einfachheit So wie wir vermeintlich denken und fühlen, ist die Welt nicht. Aber im Grunde ist es ganz einfach, in der Welt zu sein. Anders denken und fühlen. Der Mut zu spüren, dass der Wind Wesen berührt und die Atmosphäre sich bewegt, wenn fruma [fr(a)u/ma(nn)] dem lebendigen Raum Aufmerksamkeit schenkt. Erfahren, dass ein Baum einem Lebewesen sich gutmütig blätterrauschend zuneigt. Entdecken, dass die Bewusstseinsenergien der Erde harmonisierend und aufbauend in Körpern schwingen und klingen. Beobachten, dass die atmende Luft flirrend und freudig mit dem Leben korrespondiert. Staunen darüber, dass eine Fliege Menschen anders an-sieht. Den Augenblick erkennen, wenn eine Blüte grüßt. Glücklich sein, wenn wehendes Gras die Seele zum Schwingen bringt. Ahnen, inmitten und voller lebendiger Weltintelligenz zu sein, die implizit alles Wissbare verkörpert, von dem sich explizit aber nur annäherungsweise Substanzielles sagen lässt. Freudig Sonnenlicht auch in der Nacht atmen und der Welt (wieder-)schenken.
Durchführung und Ablauf Zwei Tage Aufenthalt mit kreativen Forscher*innen in einem Garten auf wundersame Art und Weise: Eine Naturforscherin und Stimm-Akrobatin, ein Bassist, ein Pantomime und ein filmender Journalist. Die Vorbereitung der Proben und der Aufführung lief über mehrere Monate – sich künstlerisch und forschend kennenlernen, herausarbeiten der Charaktere und der Möglichkeiten einer noch zu entwickelnden erzählerischen Begegnung, Austausch über die verschiedenen perspektivischen Arten und Weisen Natur wahrzunehmen, sich ihr zuzuwenden und zu korrespondieren. Gemeinsame Studien und Übungen der Bewegung, des Hörens, Atmens und Improvisierens. Strukturierende Vorüberlegungen zur Entwicklung eines roten Fadens. Übungen mit Barbaras Klangschrift durch Bewegung, Musikalität, Klang und Zeichnen. Strukturierung und Visualisierung der Inspirationen und Gedanken und deren Übertragung in eine Improvisationspartitur. Der Verlauf einzelner Miniatur- und Naturraum-Stadien blieb experimentell offen und erhielt parallel einen in sich stimmigen, nachvollziehbaren und strukturierten Ablauf. Gemeinsames Interpretieren und Verinnerlichen der Partitur, um dann von Augenblick zu Augenblick wieder neu zu beginnen.
Die Proben und die Aufführung der Improvisations-Komposition wurden per Video aufgezeichnet und in einem herausfordernden Prozess vom wundersam-Team zu einer Video-Dokumentations-Collage herausgearbeitet. Es entstand ein einfaches Video in Schwarz-Weiß mit Tonmitschnitten sowie Text- und Spracheinblendungen - eine künstlerische Collage aus Dokumentation, Skizze und Erzählung. Das Video dokumentiert hoch konzentriertes und achtsames Suchen, Improvisieren und kreatives Spiel. Es verdichtet Ton- und Filmaufnahmen zu einer Collage, die den delfinischen Geist dieser schöpferischen Begegnung von Menschen in und mit der Natur aufscheinen lässt. Die Stimmungen und Weisen der Begegnungen werden im dargestellten Dreiklang wahrnehmbar. Sie scheinen wie ein Hauch der Schönheit auf und sprechen uns zärtlich an. Diesen wertvollen kathartischen Raum einer Begegnung von Leben möchten wir mit diesem wundersam-Projekt „Sehen und gesehen werden“ aufzeigen.
Dieses Projekt ist als Work-in-Progress angelegt. Es erforscht und erprobt kreative Ausdrucksformen im Zusammenspiel mit den Lebensweisen und Sprachstrukturen der Natur und deren Geschöpfen.
Improvisations-Partitur von Barbara Kastura Horizontal: Zeitablauf / roter Faden Vertikal: Sinn-Ebenen mit Erläuterungen
Grundbauplan der Improvisations-Partitur / Roter Faden
Aura: Naturaufnahmen: Eindrücke vor Ort _ Geräusch-Frequenz / Hochton
Phasenwechsler: Übergang (10 Sekunden) zwischen den einzelnen Sequenzen (Miniaturen/Naturraum) mit einer Ähnlichkeit . Aggregatzustand (wie: Auf den Punkt kommen _ laut-leise-laut _ Einatmen-Pause- Ausatmen). Aggregatzustand
Miniatur 1: Mensch in der Natur _ drei separate Charaktere (forschend, suchend, wahrnehmende Bewegungen und Gesten) _ die Langsamkeit des Zeitgeschehens
Naturraum A: verdichtete Naturstimmungen, Natur-Geräusche, das Fühlen der Wesen
Miniatur 2: Berührung Mensch-Natur (Menschen sprechen Natur an: Pantomime, Stimme, Bewegung, Bassspiel) – auch Nahaufnahme der Akteure
Naturraum B: Atmosphäre, „Die Natur öffnet sich, sie spricht“ (Naturaufnahmen mit Naturklängen im Zusammenspiel mit Stimme/Bass)
Miniatur 3: (paradoxe) Steigerung der Entwicklung der drei separaten Charaktere _ die Andersweltberührung ist spürbar geworden _ Natur kommt wieder zu sich zurück, jetzt in einem anderen Licht _ Nahaufnahmen der Akteure einschließlich Pflanzen, Wolken, Boden
Durchbruch: Am Ende der Miniatur 3: Entwicklungs-Wachstumsschübe der „Gewahrseins-Knospe“ der drei Charakter endet, indem ein Durchbruch geschieht (der Knall) und etwas Neues erscheinen lässt
Blüte: Die blühende Stille der Gegenwart von Leben _ Gewahrseins-Knospe geöffnet
Aura: Das Verstehen, das Nachklingen
Künstlerische wundersam-Forschung Von Floribundus hin und von Dannen Im einfühlsamen, panpsychistisch inspirierten Erkunden lassen wir uns als wundersam-Forschende auf ein Feld ein, das sich in bewusster Verwobenheit alles Lebendigen – auch und gerade der Mehr-als-menschlichen Mitwelt – entfaltet. Dieses Feld trägt und erzeugt Bewusstsein und durchschwingt Raum und Zeit im Hier und Jetzt. Egal, ob Welle oder Teilchen ... im Augenblick formieren sich Gefühle und Gedanken und (willentliche) Strebungen, lösen sich auf und bilden sich jeden Moment neu aus dem undenkbaren, ungedachten Geschehen reinen Bewusstseins, das sich selbst im kleinsten Organismus ereignet und trilliardenfach im Boden, in der Luft, im Licht, im Feuer, in den Pflanzen, Tieren und auch in uns Menschen enthalten ist und in unserem und durch unseren leiblich getragenen, sinnlichen Geist erblüht. Was wir davon sagen und zeigen können, entsteht aus unserer Zeugenschaft im verwobenen Aufgehobensein. Auf wundersame Weise klingt und schwingt das Leben in uns und um uns und durch uns drängt nach Ausdruck, Verstehen, Liebe. Dank offener, hingebungsvoller Haltung gebiert solch kontemplative Schau ein transpersonales Ereignis, in dem alles Da-Seiende sich in einem gemeinsamen Geschehen feiert. Solche Momente sind magisch: Die Wolken, der Himmel, die Pflanzen, Tiere, Böden und Gewässer, ja selbst scheinbar leblose Gegenstände erscheinen angesichts menschlich-liebender Aufmerksamkeit in neuem Licht und unerhörtem Klang, in einer ungeahnten Aura, und geben als großer Gesang und Tanz ihre göttliche Herkunft preis, die sie dankbar und freudig im und durch das Bewusstsein des aufmerksamen Menschen erst eigentlich erfahren. Durch den Menschen, der sich in der Natur als Teil der Natur erfährt, kommt die Welt als geistiges Geschehen zu sich. Aus diesem Anfang, der ein ewiger Ur-Sprung ist, entsteht jede Sekunde neu die Welt.
GLOSSAR:
AKTEURE:
Mensch – Charaktere
Erscheinungen der Natur
Phasenwechsler-Phänomen
Aura Beginn und Ende
Seinszustand Durchbruch
Seinszustand das Erblühen aus der Stille
AURA: morphische Hochfrequenzen _ Geräuschimpro
BEGINN: meditative Stille _ Einleitung _ Vorspiel _ Aura der Landschaft _ statisch _ im Nachhinein einspielen
BLÜTE: Verwunderung _ „Gewahrseins-Knospe“ _ herausgewickelt durch Wachstumsschübe und Berührtwerden
ENDE: Einsicht _ Verstehen _ Gegenwart der Stille
KNALL/DURCHBRUCH: Ende der Entwicklung _ Der Riss _ Eine neue Erkenntnis-Gestalt beginnt _ multidimensionaler und -perspektivischer Augenblick
LiAdE: „Seid gegrüßt Wind und Erde.“ Die Trinitätsgestalt Liade ist eine Kastura´sche Sprachknospe aus Lilith-Adama-Eva (Ave). Lilith: hebräische Form von Lilitu, abgeleitet aus sumerisch Lil, der Wind. Adam: hebräische Form von Adama, die Erde.
MINIATUR: Sequenzen die Kontrapunkte enthalten _ drei separate Charaktere , die eine Entwicklung durchmachen _ Veränderung
NATURRAUM: Naturstimmungen _ Das Fühlen von Anwesenheit _ Die Natur öffnet sich, sie spricht _ Sie kommt entgegen _ Sehen und gesehen werden _ Parallel-/Anderswelten
PARALLELWELT / Anderswelt: von Augenblick zu Augenblick existent
PHASENWECHSLER: Übergang _ Aufenthaltsraum _ Aggregatzustände* _ Ähnlichkeiten _ Auf den Punkt kommen _ Kristallisation
*Die Überführung eines Stoffes in einen anderen Aggregatzustand - flüssig, gasförmig, fest (kristallin, amorph) erfolgt durch einen Phasenübergang zum nächsten Zustand (hier: nächster Zustand der Erzählung).
Diese künstlerisch-filmische Dokumentation mit suboptimaler Ausstattung umgesetzt zu haben, ist ein großes Glück.
Der Link zum Video ist abrufbar unter linktr.ee/wundersam. Lassen Sie die elektrischen Fäden Ihres Denksystems gerne beim Betrachten des Videos mittanzen.
Wirkweisen beim Aufbau der Produktion:
Barbara Kastura: Stimme, Klang, Bewegung, Idee und Regie, Improvisations-Partitur
Alex Bayer: Kontrabass, Klangbild--Kompositionen
Philippe Dhaussy: Pantomime, Körpersprach-Kompositionen
Michael Schels: filmender Journalist, Koordinator und ruhender Pol
Alex Bayer und Philippe Dhaussy für ihre begeisterte schöpferische Experimentierfreude
Harald Kienle für die Möglichkeit des Aufenthalts in seinem wilden Garten.
Veilchenfee und Floribundus hin und von Dannen für ihre Zuversicht und für den gemeinsam begangenen Weg des Roten Fadens mit beglückenden und erkenntnisreichen Stolpersteinen und für die Entdeckung der Einfachheit dieses Weges.
Michel Tauziède für seinen Text „Lilith und Adam“ aus, Les Dits de Silence à des fragments du chaos mêlés, 2021; Übersetzung: M. Schels, B. Kastura, P. Dhaussy – online mit freundlicher Genehmigung des Autors unter https://dialogische-aesthetik.weebly.com/lilith-und-adam.html
die Geschöpfe der Natur für ihre Freundschaft und Verbundenheit zur Menschheit.
das Kulturreferat der Stadt Nürnberg und die Rudolf und Eberhard Bauer Stiftung Nürnberg für die Förderung dieser wundersam Videoproduktion