In unserer multiperspektivischen, vielfältigen und oftmals verwirrenden und verwirrten Welt passiert es schon mal und immer öfter, dass einem der Überblick (ganz zu schweigen vom Durchblick) verloren geht. Wer hat denn im Grunde (philosophisch), letztlich (pragmatisch) und „am Ende des Tages“ (eine heutzutage oft gehörte neoliberale Floskel zur Bilanzierung der Vorteile eigener Peer Groups) noch Recht, wenn das Leben auf dieser Erde milliardenfach schwindet, Meere steigen, Stürme toben, Fluten reißender werden, auch den Reichen die Felle davon schwimmen, Eisbären im Müll wühlen, Waffen jubilieren, Müll und Gifte die Wasser und Leiber durchtränken, Nahrungs- und Lieferketten reißen, Nutztiere milliardenfach missbraucht, gequält und geschlachtet werden, Böden großflächig erodieren, Bäume verdorren, Wälder brennen, Grundwasserspiegel sinken?
Was wollen Konservative denn eigentlich erhalten außer überkommener Werte und unverdienter Privilegien? Was Ultrarechte erreichen außer Befriedigung von Hass und Gier? Was Linke überwinden außer materialistisch verstandener Missverhältnisse? Was schwebt Gemäßigten vor außer Normalität, die auf Illusionen beruht? Was motiviert Gutmeinende und Wohlwollende außer moralischer Überheblichkeit, Narzissmus und seelischer Eitelkeit? Was erfreut Ästheten außer bloß intellektueller Lust an der Reflexion des Sinnlichen? Was denken Rationalisten außer Sachverhalten? Was befriedigt Bösartige außer Sadismus und Mordlust? Welche Reue können sie empfinden, wenn der Blutrausch sich erschöpft? Was ist der Mensch, wenn nicht nur gieriger Konsumentenproduzent? Was sind Kulturen, wenn nicht nur gewohnheitsmäßige, luxurierend aufgehübschte und verlogene Unterdrückungs- und Privilegienerhaltungsmechanismen? Was ist Bewusstsein, wenn nicht ein kosmisches Prinzip, das noch nie allein nur im Menschen existierte?
Wie wäre das Leid aller zumeist übersehenen Lebewesen auszuhalten, wenn sie plötzlich – wie eine Offenbarung - ganz und gar mitgefühlt würden? Wie fühlt sich wahre Freude an, was vermag geteiltes Glück? Welche räumlichen und seelischen Atmosphären liegen brach, ummauert und versiegelt von spekulativ-strategisch durchtränkter Gier und falsch gehandhabter, gefühlloser Rationalität? Welche Art von Dialektik wäre noch denkbar und fruchtbar und somit sinnvoll angesichts wuchernden Wahnsinns, schwindender Kräfte, versiegender Quellen, erodierender Böden, kaltblütiger Unverfrorenheit, apokalyptischer Zustände, kranker Technologiegläubigkeit, wahnhafter Vorstellungen, unerkannter Traumata, blindgläubiger Ideologien, dogmatischer Glaubenssysteme, kollabierender Innen- und Umwelten?
Welches Dazwischen ließe sich noch von wem in welcher Weise lebendig und lebensfördernd gestalten? Woher kann Heilung kommen, was kann noch retten? Was können wir in diesen Zeiten noch wirklich fühlen, glauben, wissen und tun? Wie können wir Würde und Anstand bewahren im massenhaften, selbstverschuldeten Untergang? Was und wer werden wir einmal gewesen sein in all unserer Fremd- und Selbstbestimmung, in unserer existenziellen Not, unserer Unzulänglichkeit, unseren Verfehlungen und verpassten Chancen? Welche Begriffe, welche Vorstellungen können wir noch entwickeln von dem, was das Leben und uns ausmacht, prägt und bestimmt? Welche Möglichkeiten, welche Freiheiten haben wir? Wie können wir uns und unsere Mitwelt angemessen und umfassend wahrnehmen verstehen und in unserer und ihrer ganzen Tiefe ausloten und auskosten? Wo endet unser Anspruch und wo beginnt Bescheidenheit?
Können wir uns als Gattung als edel, großherzig und großmütig beweisen oder werden wir am Ende einfach nur elend, engstirnig und verdorben gewesen sein? Das zeigt sich gerade jetzt und wird in naher Zukunft besiegelt sein.