Was kommt nach der Postmoderne?
War das Selbstverständnis des klassischen bis modernen Menschen noch (ob aufgeklärt oder nicht), vermeintlich zu Recht (da gottgegeben oder wissenschaftlich fundiert) einen Anspruch erheben zu dürfen bzw. schlicht zu haben auf die Verfassung der Welt und sich damit die Welt mitsamt der Sprache über sie dienbar zu machen, kam mit der postmodernen Gegenbewegung der Verdacht auf, dass die Welt ihrerseits vormächtig sei und der Mensch mit seinem Begriffsapparat immer nur allem hinterherhinke, am meisten sich selbst. Der technische Apparat bläht sich im Zuge dieser kategorischen, als alternativlos propagierten gesellschaftlichen Versachlichung, Vermessung, Verwertung und De-Sensibilisierung der Welt zu einem Moloch auf.
In der Moderne wurde und wird die verabsolutierte Trennung zwischen Bewusstsein und Welt auf die Spitze getrieben. In der Postmoderne ist der Trend gegenläufig, aber immerhin darf der Mensch auch hier sich noch ein letztes Mal als Subjekt erfahren– wenn auch nur aus Empörung oder vielleicht auch aus klammheimlicher Freude darüber, dass dieses Subjekt im Grunde gar nicht existiert.
Mit der letzten Kränkung des Menschen ist eine große Scham verbunden … man beginnt zu ahnen, dass all das durch den Menschen entstandene und fixierte Wissen und Denken kaum mehr ist als Ausdruck narzisstischer Selbsterliebtheit einer Gattung, die ihre innere Leere mit aufwändigen Ablenkungsmanövern kaschiert. Das postmoderne Denken öffnet immerhin viele Wege hin zu einem Denken, das apriori auf Wahrnehmung beruht und nicht auf Ideen oder Begriffen. Die Intelligenz solchen Denkens entsteht geradezu erst aus der Wahrnehmung, sie entspricht einer allenthalben vorhandenen Liebe, Intelligenz und Weisheit. Ja, erst wenn der Mensch darauf zu vertrauen lernt, dass er sich nur als Teil eines lebendigen Ganzen zu verstehen braucht, um der lebendigen (und eben gerade nicht absoluten) Wahrheit nahe zu kommen – erst dann wird sich die Wahrheit in all ihrer undefinierbaren Schönheit und wohl auch in ihrem ganzen Schrecken zeigen, der am Ende aus individueller Sicht zwar zumeist nicht schön sein mag, aber insgesamt energetisierend und erneuernd ist. Der Tod und das existenzielle Nichtverstehen (wie im Paradies) als Hort und Schule des Lebens.
Dass geschulte, nach dem rational und logisch verhandelten Begriff gehende Denker*innen mit dieser Erkenntnis eines außerhalb des Menschen existierenden lebendigen Bewusstseins ihre Schwierigkeiten haben, liegt daran, dass sie ihr versiertes Denken und ihr Selbstverständnis außerhalb klammheimlich subjektiv untermauerter "objektiver" Perspektiven in Gefahr sehen und gerade in dieser Einsicht den blinden Fleck ihres Erkenntnisapparats peinlich zu spüren bekommen.
Doch brauchen sich die letzten Verteidiger*innen der Vernunft nicht zu fürchten. Sie müssten ja doch nur zusätzlich ihre Wahrnehmung mit höchstem Respekt vor dem Lebendigen schulen und darauf achten, was sich ihnen zeigt. Dann können sie weiterhin auch analytisch und rational denkend (philosophisch, theologisch, wissenschaftlich etc.) daran abarbeiten, was die lebendige Mitwelt ihnen im Besonderen und auch im Allgemeinen zu sagen hat. Wenn sie allerdings diesem Ruf der lebendigen und mehr-als-menschlichen Mitwelt nicht folgen und allein auf ihrem bloßen, vermeintlich rationalen Denken beharren, werden sie in Irrelevanz und falscher Unbescheidenheit untergehen. Sie könnten sich – sofern sie den Ruf der Natur hören - dann zwar nicht mehr als Geistesheroen aufspielen, da ja offensichtlich alles Wissen aus dem abgeleitet und von dem mitgeteilt wird, was sie umgibt und ausmacht. Aber immerhin wären sie kosmisch geadelte Mediatoren und gerne auch namentlich genannte Kritiker oder Befürworter eines von Natur aus - auch außerhalb des Menschen - bewussten Geschehens, das nun erst allgemein zu menschlichem Bewusstsein kommt.
Die Bewusstseinsrevolution, die ansteht, ist nicht weniger als ein Einschwingen des Menschen auf das, was ihn überhaupt erst ermöglicht – auf das lebendige kosmische Geschehen, das Bewusstsein ist und auf diesem schönen PLaneten (erst?) durch ihn zu mitgeteiltem Bewusstsein kommt. Das Transzendente sind nicht die Bedingungen der Möglichkeit von Erkenntnis jenseits des Gegebenen und rein im Verstand, sondern die Bedingungen der Möglichkeiten des Gegebenen und rein im wahrnehmbaren Geschehen.
Eine Geistesgeschichte der Zukunft wird all das aufzudecken haben, was der Mensch in seiner distanzierten, kalkulierenden, selbstgerechten und machtbesessenen Borniertheit über Jahrtausende übersah und das er in Geheimbünden, religiösen Zirkeln oder esoterischen Kreisen gerade noch in Ansätzen zu pflegen und zu würdigen weiß: Das Wissen und auch die Liebe, die in der lebendigen Welt angelegt sind und die sich durch sie und aus ihr heraus entfalten – mit allen Elementen und feinstofflichen Strukturen bis hin zu kosmischen Energieflüssen, für deren Wahrnehmung wir gerade erst unsere Sinne (und unseren Sinn) zu öffnen beginnen.
Es wäre dabei zu erforschen, inwieweit eine vordenkerische und vorbegriffliche Wahrnehmung den Weg zu bereiten vermag, ganz neue Formen des Wissens und der Kommunikation zu entfalten – ganz allein aus sich heraus und durch uns als geistig-leibliche Wesen, die wir immer schon eingewoben sind in das All-Eine, das uns trägt und umfängt. Wenn der Mensch sich aus diesem unfasslich großen und jeden Augenblick sich verändernden Zusammenhang zu verstehen beginnt, wird sich der gordische Knoten der Dualität auflösen und ein Bewusstsein zutage treten, das aus einem liebenden, fühlenden und wissenden Gesamtzusammenhang entspringt und im und durch den Menschen trilliardenfach aufs Schönste erblüht.
Ist das eine neue Metaphysik, bei der sich spekulative Gedanken eines falsch verstandenen Denkens in bloße Vorstellungen von der Natur verlagern? Wäre der fühlend denkende Mensch nicht erst recht ein Spiegelbild (in) der Natur und vergrößert sich der Narzissmus hier nicht wie in einem Zerrspiegel? Entsteht hier nicht schlicht ein neuer Mythos? Geben wir mit einer solchen Bewusstseinsveränderung nicht viel zu leichtfertig das Zepter aus der Hand? Vielleicht. Jedoch wird dieser neue Mythos nicht mehr von uns, sondern vom lebendigen Zusammenhang erzählt, aus dem heraus die Geschichte durch uns entfaltet. Auch hier mag es Irrtümer und Sackgassen geben. Doch wird sich das ganz anders anfühlen und auch ganz anders zu denken sein, als wir uns heute noch vorzustellen vermögen.
Eine Dialogische Ästhetik für das Anthropozän widmet sich theoretisch wie praktisch der aufscheinenden Möglichkeit und der wachsenden Wirklichkeit eines mit der nichtmenschlichen Mitwelt verwobenen Wahrnehmens, Denkens, Kommunizieren und Handelns in einer geschenkten und schenkenden Welt, an der teilzuhaben und deren Geschicke mitzubestimmen sich der Mensch wirklich (!) ethisch fundiert, weil fühlend, denkend und handelnd eingewoben, als würdig erweist.
Diese Forschungsweise erlebt und versucht in Begriffe zu fassen, wie die Natur zu uns spricht – in welchen Gestalten, Prozessen und Begegnungen sie sich (uns) zeigt, damit wir sie als wesenhaft anerkennen können. Siehe die lebendigen Betrachtungen und Einsichten der Vorsokratiker*innen, Mystiker*innen, Gestalt- und Tierpsycholog*innen, Klangforscher*innen und ästhetisch arbeitenden Künstler*innen, Wissenschaftler*innen etc. – erst beim Wahrnehmen und Denken in Verbindung mit einer gegenwärtigen, unmittelbaren Intuition und Einfühlung geht uns ein Licht auf.